Grafikdesign

Vom Desktop-Publishing-Pionier zum Bleisatz-Liebhaber

1993 erstellte ich die erste Druckvorlage für das Prospekt eines mittelständischen Unternehmens. Seinerzeit war ich einer der Ersten und immer ganz vorne mit dabei, wenn es darum ging, digitale Werkzeuge zu nutzen. Ich startete mit viel Euphorie, Photoshop 2.5, Freehand und Quark XPressInDesign war noch nicht erfunden und mit Quark war ich damals ganz weit vorne, denn ´93 klickten die meisten noch im Aldus PageMaker.

Beruflich platzte ich in eine Zeit, in der die Medienbranche komplett im Umbruch war: Wir, die DTP-Pioniere, liefen zum Medienservice hier um die Ecke in der Antwerpener Straße, um an unsere Trommelscann-Daten auf Kodak-Photo-CD zu kommen (die digitale Fotografie brauchte noch gut 10 Jahre) – während unsere Chefs von damals ihre Entwürfe wie eh und je auf dem Reißbrett scribbelten und den Weg über Lithos gingen.

Eigenbildnis I & II | 20 x 30 cm | Bleistift , Aquarell | 2015

Neville Brody und David Carson waren für uns damals so etwas wie die Andy Warhols unserer Generation.

Ich weiß noch mit welchem Hochmut ich damals auf meinen Chef schaute, der nach 30 Jahren Berufserfahrung konsequent weiter die Universe, die Frutiger oder die Futura aufs Papier brachte, während wir Youngsters unsere Layouts in der Meta, der Scala, oder in so trendy Fonts wie der Trixie (die eine kaputte Schreibmaschine simulierte) setzten. Neville Brody und David Carson waren für uns damals Popstars und so etwas wie die Andy Warhols unserer Generation.

Wenn ich heute im Nachtprogramm „Die Tagesschau vor 20 Jahren“ mit der Meta als ARD Hausschrift sehe, gibt es nichts was altbackener und verstaubter aussehen könnte – während die Futura oder die Frutiger von meinem damaligen Chef, auch heute noch dieselbe Modernität wie vor 100 Jahren ausstrahlen. Vor einigen Jahren ersteigerte ich mir die Futura von 1927 als Bleisatz bei eBay.

Therefore (Ausschnitt) | 297 x 420 mm | Bleisatz auf Büttenpapier | 2016

Damals lasen wir mit Begeisterung Zeitschriften, die sich im Grunde selber abschaffen wollten.

Damals lasen wir mit Begeisterung Zeitschriften, die sich im Grunde selber abschaffen wollten: Die digitale Avantgarde las „WIRED“ oder in Deutschland „SCREEN MULTIMEDIA“. Hier fanden sich Artikel über die Zukunft des Journalismus mit digitalen, personalisierten Medien. Das klang für uns damals verlockend, denn 1993 wurde RTL mit „Tutti Frutti“ erstmals Marktführer. Im selben Jahr startete VOX mit dem Gegenentwurf zu RTL – einem privaten TV-Programm für Intellektuelle. Hier moderierte Max Mohr seinerzeit unser eigenes New-Media-Nerd-Magazin: „Canale Grande“. VOX überlebte (genauso wie unsere Idee von der Zukunft des Internets) keine zwei Jahre und wurde von RTL geschluckt.

Vielleicht waren wir einfach zu jung um uns vorstellen zu können, dass die Konsequenz aus all dem letztendlich Bubbles und die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA sein würden. Wir glaubten ja auch, dass in Zukunft Geschichten nicht mehr linear erzählt werden würden, dass Interaktionsmöglichkeiten selbst für den Musikhörer eine Bereicherung wären, und dass tatsächlich wir es sein würden, die diese mediale Zukunft gestalten würden.

Heute frage ich mich manchmal, wann das alles eigentlich kippte – in jedem Fall ist Mark Elliot Zuckerberg 13 Jahre jünger als ich.

Mit Laptop und Beamer beim Marketingchef der Telekom.

In den Jahren 1995 bis 2000 arbeitete ich in einigen Werbeagenturen – zum Teil für das Who-is-Who der deutschen Wirtschaft. In diesen Jahren habe ich DAX-Konzerne, ihre Protagonisten, Meetings und Präsentationen von innen kennengelernt. Agenturen sprechen auf ihren Webseiten bis heute gerne von ihren „tollen Referenzen“ und meinen damit große Namen, Brands, Marken – von denen, wenn man sie einmal inhaltlich hinterfragt, einem nur schlecht werden kann.

Ich bin heute sehr dankbar dafür, die Freiheit zu genießen, für keines dieser Unternehmen mehr arbeiten zu müssen.

Von 2000 an agierte ich dann 15 Jahre lang selbständig im eigenen Designbüro, im Schnitt mit zwei oder drei Mitarbeiter*innen. Ich veröffentlichte einige Jahre das Soul Magazin „uptown strut“ und machte in dieser Zeit vor allem Unternehmenskommunikation für einige Mittelständler.

Mosob Reloaded | 30 x 30 cm | Linolschnitt auf Büttenpapier | 2020 – Valerie | 21 x 30 cm | DTP & Linolschnitt auf Büttenpapier | 2014

Die handwerklich am besten gemachte Werbung im öffentlichen Raum findet man heute auf Kuba.

Heute sehe ich die Werbebranche sehr kritisch. Die handwerklich am besten gemachte Werbung im öffentlichen Raum findet man (noch) auf Kuba. Die totale Bombardierung mit grellen, dummen Slogans im Stadtbild von Köln empfinde ich als Zumutung. Im Direktmarketing kalkulieren Agenturen bis heute noch mit einer maximalen Response-Quote von vielleicht 5%. Werbeagenturen arbeiten also im Grunde bei allem was sie tun zu 95% für die Tonne. Und das mit entsprechendem Ressourcenverbrauch. Eigentlich war mir auch schon früh bewusst – dass ebenso die meisten Dienstleistungen und Produkte, die ich da bewerbe, an und für sich kein Mensch wirklich braucht.

1993 gehörte ich mit zu den Ersten, die mit dem Computer Layouts erstellten – heute, bald 30 Jahre später, arbeite ich gerne mit Bleisatz und Techniken wie Linolschnitt, Holzschnitt oder Radierungen – kombiniere diese aber durchaus auch weiterhin mit digitalen Werkzeugen und DTP.

Grafikdesign geht auch anders.

Vor einigen Jahren fing ich an meine Erfahrungen als Grafikdesigner in Projekte einzubringen, die mir selber sinnvoll erscheinen, und die mir nach wie vor Freude bereiten. Seit einiger Zeit erstelle ich die Kommunikationsmittel für die Köln-Ehrenfelder Hilfsorganisation Cap Anamur / Deutsche Not-Ärzte e.V. Seit 2017 bin ich selbst eines von 15 aktiven Mitgliedern.

Parallel entstand auch die Idee, mit unserem gemeinnützigen Verein Art of Buna e.V., Kinderbücher für Kinder in Äthiopien zu entwickeln. Die Bücher erarbeiten wir in den wichtigsten Landessprachen, gemeinsam mit äthiopischen Autor*innen und Illustrator*innen.

2017 gründete ich die Initiative „Artists for Cap Anamur“

Werkschau 2006 – 2020